Fragmente von Prag an den Bodensee –   Kampa Branna nach Lipno

Was für ein Abend! Gestern Abend ist eine große Jugendgruppe wie ein Heuschreckenschwarm eingefallen. Bauen ihre Zelte direkt neben unseren auf. Sie musizieren. Sie reden, lachen und singen. Sie urinieren. Manche wirklich in den Toiletten. Bei den meisten reicht die Motivation leider nur bis hinters Zelt. Am Morgen meide ich den vermuteten Bereich.

Was für eine Nacht! Ich döse vor mich hin da durchfährt mich ein Krampf im linken Bein. Seit meinen Operationen dort hatte ich schon öfter Krämpfe. Manchmal täglich. Diese Nacht sind es gezählte fünf! In meinem kleinen Zelt ist nicht genug Platz um Gegen zu halten. Ich beiße auf die Zähne und lasse sie vorüber gehen.

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07:00 Uhr. Total unausgeschlafen. Habe mein Pedelec geholt und belade es. Wir fahren los. Stelle fest, dass die Akkus nicht voll geladen sind. Bis Linz reichen sie nicht.  Nicht. Bitte nicht! Die Abhängigkeit von Steckdosen sind gerade in Gegenden mit schlechter Infrastruktur problematisch. Das stresst. Andererseits – ohne mein Pedelec wäre ich nicht unterwegs.

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Die Berg- und Talfahrt wiederholt sich heute wieder. Steigung an Steigung. Anette beginnt ihr Rad immer öfter zu schieben. Beim Gewicht meines Pedelecs samt Gepäck für mich niemals machbar. Ich quäle mich tretend hoch.

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Kommen durch mehrere größere Ortschaften. Durch die Lage und die imposanten Burgen, Schlösser, aber auch Kirchen, geben sie doch etwas mehr her, als die 5-Häuser-Dörfer der letzten Zeit.

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Rožmberk nad Vltavou

09:50 Uhr. Vissy Brod. Der Zentrale Platz sieht noch genauso aus, wie ich es in Erinnerung habe. So komisch langgezogen schräg im Hang liegend mit kleinen Geschäften und einem Café rundum. In der Mitte etwas erhöht so eine Art Park. Mit Bäumen. 2 Statuen und Bänken. Als ob die Zeit hier still gestanden wäre ….  Wir gehen zunächst in eine Bäckerei/Konditorei. Decken uns mit Brot und Gutem ein und setzen uns auf die Parkbänke. Frühstück mit einem superleckeren Heidelbeerkuchen!

Screen Shot 06-15-18 at 07.17 AMDie letzten gemeinsamen Kilometer liegen vor uns. Die Wege von Anette und mir trennen sich in Lipno. Ab da verläuft meine Route südlich des Lipno, um dann nach Linz ab zu biegen. Ihre verläuft nördlich, um dann am Lipno entlang Passau näher zu kommen.

Überlege mir zwar kurz Linz auszulassen und mit ihr zusammen nach Passau zu radeln. Entscheide mich dann dagegen! Mein Akku reicht für die folgende Etappe ganz sicher nicht mehr. Müsste also wieder irgendwo aufladen. Der Zweite Aspekt drückt jede Minute mehr auf meine Schultern und zieht mich bei jeder Steigung nach hinten. Meine Fotoausrüstung. Bin ja nicht nur wegen dem Radeln unterwegs, sondern auch um zu fotografieren und das ist in den letzten Tagen zu kurz gekommen, da wir Kilometer an Kilometer gereiht hatten. Nicht zu vernachlässigen: ich bin müde. Das liegt nicht nur am Schlafmangel heute. Ich brauche eine Pause oder mindestens eine Etappe, die ruhiger und entspannter abläuft. Die Route von Anette wäre das Gegenteil davon!

Nach Linz komme ich aber heute nicht mehr. Und tschechische Kronen habe ich auch noch!

Suche nach einem Zimmer in Frymburk. Dann in Přední Výtoň. Zuletzt in Lipno. Finde nichts – weder per AirBnb, noch per Booking.com oder Tripadvisor, das zu einem vernünftigen Preis und nur einer Nacht zu bekommen ist. Die günstigeren geben als Mindestvoraussetzung immer 2-4 Nächte an. Finde eine „Absteige“ für € 71,00. In Südböhmen der pure Wucher und Luxus. Dennoch greife ich zu. Warum? Kann ich nicht sagen. Der Finger war wohl schneller als das Gehirn.

10:40 Uhr. Mein Navi sagt rechts. Das von Anette links. Wir fahren links. Was jetzt kommt ist ein wunderschöner Streckenabschnitt. Am Anfang steht noch ein Schild, dass man als Ungeübter hier nicht radeln sollte. Doch wir haben ja schon jede Menge Übung. Die Strecke führt mehr oder weniger Mitten durch den Wald entlang einer Eisenbahnstrecke. Mal führt sie höher, mal überqueren wir die Schienen, um an den Fluss zurückgeführt zu werden, um dann steil nach oben zu klettern und die Schienen unter uns zu sehen. Für Auge und Gemüt ist dies der bisher schönste Streckenabschnitt. Total unbefestigt. Teilweise so schmal, dass keine zwei Räder aneinander vorbeikommen. Teilweise auf einer Seite steil abfallend. Konzentriertes Pedalieren ist angesagt. Mitten durch einen stimmungsvollen Wald. Vorbei an Wasserfällen,  Vogelgezwitscher, Spechtklopfen, den Gerüchen und Geräuschen des Waldes.

Leider lassen wir uns nicht die Zeit diese Stimmung zu genießen. Leider lass ich mir nicht die Zeit Fotos zu machen. Vorwärts. Meter um Meter. Ja es ist gut, dass ich wieder mehr auf mich achte …. und meiner Wege gehe …

12:20 Uhr. LIPNO. Der See und der Ort. Zeit sich zu verabschieden. Ich verabschiede mich von einem Menschen, der durch Fröhlichkeit, Zuversicht mit einem Blupp Verrücktheit überzuckert mit Offenheit durch die Welt geht. Ich habe mich sehr gefreut und es ist mir eine Ehre Anette begegnet zu sein und ein Stück meines Weges mit ihr geteilt zu haben. Wir versichern uns, dass wir über WhatsApp oder „What-auch-immer“ in Kontakt bleiben werden. Kurze Umarmung, dann besteigt sie Ihr Stahlross und trabt in den Sonnenuntergang … 😉 … nein natürlich nicht … ist ja Mittag, aber die Richtung gen Westen stimmt!

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13:20 Uhr. Ich beziehe mein Apartement in der Rezidence Club Canada s.r.o. OK – das ist wirklich das luxuriöseste was ich als Destination die letzten Tage hatte. Fast so groß wie meine Wohnung. Großes Bad. Vollwertige Einbauküche. 4 Betten. Große Couch. Großzügige Sonnenterasse mit freiem Blick über den See.

Egal wie gut ausgestattet meine Suite ist. Ich schlafe erst mal eine Runde. Danach trockne ich mein Zelt und wasche meine Wäsche.

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18:00 Uhr. Ich geh runter zum Hafen. Will mir Lipno ansehen. Eine Bettenburg neben der anderen. Vom ursprünglichen Ort sehe ich hier gar nichts. Der ist weiter oben. Verdrängt von der Tourismusindustrie an den Waldrand.

Jetzt erklärt sich mir auch das Preisgefüge hier in LIPNO.

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