1998 / Bolivia – unvergessenes Copacabana

Bin wieder in Copacabana bei Tamara und der Truppe. Percy’s Eltern und sein Bruder sind auch da. Es gab ein großes Hallo und ich freute mich sehr. Ich kam gerade rechtzeitig, denn am Abend gab es ein Grillfest. Jeder steuerte etwas bei. Ich und Percy spendierten die Getränke. Die wurden dann knapp als ein paar Nachbarn noch dazu kamen und wir bis in die Morgenstunden lachten, musizierten, sangen und tanzten … OK – zum Schluss grölten und torkelten wir … aber der Wille war da!

Auszug aus meinem Tagebuch

Tags darauf. Trotz schwerem Kopf suche ich erstmals die Basílica de la Virgen de la Candelaria de Copacabana auf. Es handelt sich bei Copacabana um den wichtigsten Wallfahrtsort im Andenraum. Entsprechend groß ist auch die Kirche. Ich nehme an einem Gottesdienst teil. Ich sitze etwas Abseits, um den Gottesdienst durch meine Unkenntnis nicht zu stören. Gegen Ende umarmte und drückte wie hier üblich jeder jeden und nach kurzem Zögern kamen die Aymara auch zu mir und schlossen mich mit ein. Diesen Moment werde ich nie vergessen.

Zwei Tage. Noch. Dann reise ich ab. Wieder in das Ungewisse. Der Blick zurück enthüllt: ich habe Freunde gefunden. Nicht fürs Leben, denn wir werden uns wahrscheinlich nie wieder sehen. Aber für diese ein, zwei Atemzüge meines Daseins. Tiefe Atemzüge. Rückblickend gehört die Zeit am Lago Titicaca zu den intensivsten Momenten der Reise. Deshalb habe ich mich in Bolivien verliebt und will irgendwann wieder an diesem Strand stehen. In dieser Kirche beten. Mit einem Boot zur Isla del Sol übersetzen und mich bei Inti bedanken. Für das Leben, die Freunde und das Geschenk hier gewesen sein zu dürfen.

Zwei Tage. Noch in Copacabana. Meine Sachen neu sortieren. Manches, was ich nicht mehr brauche verschenken oder entsorgen. Die Zeit bis zur Abfahrt nach La Paz genießen. Über den Titicacasee blicken. Am Strand zusammen mit den Hunden ausgedehnte Strandspaziergänge machen. Wissen, dass wieder ein Abschied naht. Wissen, dass auch dieser Abschied für immer sein wird. Wissend, dass noch viele solche Abschiede folgen werden.

Ich rufe noch im fernen Europa an. Zunächst meie Eltern. Dann SIE. Danach bin ich ausgelaugt und gleichzeitig voller Energie. Ich besteige einen nahen Berg und blicke ins Tal. Da bekomme ich mit, wie sich eine Gruppe Aymara in traditioneller Bekleidung in meine Richtung bewegt. Wie ich später erfahre bereiten sie für den nächsten Tag – meinen Abreisetag – eine rituelle Zeremonie vor. Da will ich dabei sein. Später am Abend erzähle ich davon. Tamara nickt und will mich begleiten. Schön – so kann sich der Kreis wieder schließen den wir mit unserer Begegnung hier am Ufer des Lago Titicaca eröffnet haben.

Sabado veinte y dos de junio de 1998

Nach einiger Zeit bewegten wir uns dann in Richtung des eigentlichen Zeremonienplatzes, der von den Inca stammt. Die Felsen wurden so bearbeitet, dass genau zur Winter-Sonnenwende auf einem querliegenden Felsblock während dem Sonnenaufgang ein kreisförmiges Licht auftrifft. Dort wurde dann eine uralte Zeremonie abgehalten. Natürlich mit Cocablättern und einem Lamafötus. Ich als einziger Gringo wurde in ihren Reihen akzeptiert und auch eingeladen mitzumachen. Als Teil der Zeremonie und nicht nur als Beobachter. Ich verstand kein Wort und war doch Bestandteil davon. Ich war tief bewegt, denn mit der selbstverständlichen Teilhabe hatte ich nicht gerechnet.

Auszug aus meinem Tagebuch

Von diesem Zeremoniell habe ich ein paar Fotos gemacht. Habe mich dazu entschlossen diese hier nicht zu veröffentlichen. Denn, auch wenn es nicht mein Glaube ist, so ist es doch etwas Bedeutendes im Leben anderer und diesem gebührt Respekt. Da ich aber nicht mehr in der Lage bin nachzufragen ob ich die Fotos zeigen darf, bleiben sie eben mir vorbehalten und gewinnen dadurch an Wert. Für mich und denjenigen, die dort teilnahmen.

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© Robert Koschnick

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2 Antworten zu „1998 / Bolivia – unvergessenes Copacabana”.

  1. Da hast du jetzt eine Wissenslücke gefüllt – bei Copacabana dachte ich bislang stets nur an den berühmten Strand in Rio de Janeiro…

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    1. ja … ging mir früher such so, doch das Copacabana in Bolivien ist das ältere … 🙋🏻‍♂️

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