Nach meinem sehr plötzlichen Auszug vor etwas mehr als zwei Jahren aus dem gemeinsamen Haus, dass die 15 Jahre davor mein Zuhause war änderte sich für mich mein Leben. Ich war plötzlich alleine. Zumindest zuhause. Das gab es viele Jahre nicht mehr. Ich hatte keinen langen Arbeitsweg mehr, sondern nur mehr 5 Minuten. Das hatte ich die 10 Jahre zuvor nicht mehr. Ich hatte keinen Garten. Das hat mir einiges an Wochenendfreude genommen. Ich hatte keine Großfamilie mehr. Meine Kernfamilie besteht aus streng genommen 3 Personen. Die Familie von ihr zählte deutlich über 10 Personen ….
Was war mir geblieben?
Ich habe einen schönen Beruf und ich kniete mich meinen Schmerz betäubend voll rein. War Stunden / Tage / Abende / Wochenenden / Feiertage in meinem Büro. Bis mir die Luft ausgegangen ist. Bis ich Schlafstörungen bekommen hatte. Bis ich Herzrhythmusstörungen hatte, die sich dann als Panikattacken herausstellten. OK. Die erste Panikattacke hatte ich kurz nach meiner Trennung. Doch seitdem haben mich noch einige besucht und sind wieder gegangen. Gottseidank. Ich war deswegen nie wirklich beim Arzt. Hatte dieses Thema nur kurz mal angesprochen. Nicht weil ich mich dessen schämen würde, sondern, weil ich es selber in den Griff bekommen wollte. Geblieben war mir auch die Liebe zum Wein. In manchen Momenten etwas zu viel des Guten. Nie billiger Fusel. Der schmeckt mir nicht. Kurz vor der Scheidung trank ich dann eine Flasche Wein am Abend. Bis ich es dann mit der Angst bekam. Die Angst davor Alkoholiker zu werden – oder gar schon zu sein. Nach der Scheidung hatte ich dann nichts mehr angerührt. Jetzt bin ich wieder so weit, dass ich ihn trinke, weil er schmeckt und nicht, weil es schmerzt!
Ich ziehe um …
Geblieben ist mir noch die Leidenschaft für die Fotografie. Ich hatte früher in analoger Zeit fotografiert. Dann länger nicht mehr. Aktuell recht intensiv. Seit etwas mehr als einem Jahr. Ich hatte früher auch gemalt. Doch ich war zu schlecht. Absolut. Da blieb ich dann bei der Fotografie. Leider habe ich nur mehr sehr wenig von früher – also von vor über 20 Jahren – aufbehalten. Geblieben ist mir auch die Freude am Radfahren, wenn auch nicht mehr so wie früher. Moderner. Das Erleben von Land und Leute durch die Langsamkeit und die Intensität dadurch, aber auch durch die körperliche Betätigung und die Müdigkeit am Abend.
Ich ziehe um …
Geblieben sind mir leider auch einige Kilogramm zu viel. Vor gut 16 Jahren steckte ich in einer Krise. Trennung von der Freundin. Der zweite Kreuzbandriss. Ich war Teil-Selbstständig und das Geld floss leider nicht in Strömen. Da lernte ich sie Näher kennen. Wir unterstützten uns gegenseitig. Im Nachhinein betrachtet sind wir viel zu früh zusammen gezogen. Im Nachhinein betrachtet hatte ich mich Stück für Stück in dieser Beziehung verloren. Und jedes Stück, dass ich von mir gab bedeutete, dass ich dafür das eine oder andere Gramm mehr auf die Wage brachte. Das ist jetzt eine sehr vereinfachte Darstellung, entspricht aber meinem empfinden.
Ich ziehe um …
Mit ihr zusammen war ich plötzlich Teil einer Großfamilie. Fühlte mich eingebettet. Akzeptiert und geliebt. Ich lebte lange Zeit auch mitten drin. Das kannte ich so nicht. Die Mutter meiner Mutter betrachtete mich und meine Schwester als „fremde Bälger“. So wurden wir auch behandelt. Es fühlte sich zumindest so den Großteil meines Lebens an. Und die Familie meines Vaters lebt(e) hunderte Kilometer weit weg. Wir bildeten zu viert eine Insel. Seit meine Mutter 2013 verstarb nur mehr zu dritt.
Ich ziehe um …
Geblieben ist mir die Erinnerung an Vergangenes. Ich kann mich noch gut erinnern, wie ich jeden morgen um 05:00 Uhr aufgestanden bin, um meine Körperübungen zu machen und eine halbe Stunde zu meditieren. Auch das war etwas, was Stück für Stück erodierte. Wie wenn der Wind eine Sanddüne verweht. Manchmal konnte ich fast schon zusehen, wie ich weniger geworden bin. Natürlich kam ich auch dem Näher, was in unserer Gegend – dem Alemannischen – Wert hat. Ein guter Job, ein Haus, eine Frau. Gut verankert in der Gesellschaft.
Das Problem dabei: das bin nicht ich. Ich nicht.
Ich ziehe um …
Geblieben ist mir aber auch die Erinnerung an das was ich bereits erreicht hatte. Ich konnte diszipliniert sein – habe es nur verlernt. Ich konnte mich spüren – den Robert in mir. Ich konnte mich mit KU verbinden und war glücklich dabei. Ich spürte die Welt um mich ganz anders, als ich aktuell in der Lage bin die Welt zu spüren. Ich besaß nur wenig und wollte nichts besitzen. Ich erfreute mich an der Natur und am Sein. Ich konnte irgendwo am See oder im Wald sitzen und genießen und Sein.
Ich ziehe um …
Das wird wohl für mich der Erste der vielen Schritte sein, die ich gehen möchte, um wieder stückweise näher bei mir zu sein, um mich lebendiger zu fühlen, um den Weg zu mir und KU zu finden.
Ich ziehe um …
Ich verlasse somit mein Fluchtdomizil, um mir eine Zukunft aufzubauen. Für mich und mit mir. Ich verlasse hiermit einen Ort, den ich voll Panik, dass ich kein Dach über dem Kopf habe bezogen habe. Hier hatte ich mich nie wohl gefühlt. War nie daheim. Ich hatte nie das Gefühl eine schützende Höhle zu haben. Ein warmes Nest. Jetzt bin ich soweit, dass ich das Projekt „Robert“ starten will. Das Projekt „Robert“ gehört mir und ist mir gewidmet. Nicht jemand Anderem. Nicht der Firma. Nein – dieses ist ganz alleine für mich.
Ich ziehe um …
Ohne meine liebe Familie und Freunde wäre ich vielleicht in den letzten Monaten zerbrochen. Ohne meinen regelmäßigen Gang zur Psychotherapie hätte ich vielleicht die ersten Wochen und die darauffolgenden Monate nicht verkraftet. Ich bin voll Dankbarkeit dafür. Mit Unterstützung meines Therapeuten will ich nun dieses Projekt angehen. Mit Unterstützung durch meine Familie und Freunde werde ich dieses Projekt erfolgreich umsetzen.
Ich ziehe um … und bin auf dem Weg zu mir!
Hallo lieber Robert,
dein Text hat mir so berührt, dass ich ohne einen Kommentar zu schrieben weggehen konnte.
Auch wenn es sehr stark und gefühlvoll geschrieben ist, fand ich das Ende wirklich schön. Es sollte wirklich schwer sein, nach den so vielen Jahren diese Änderungen zu bekommen. Die Idee von dem Projekt „Robert“ ist einzigartig und da liegt wahrscheinlich seine schöne neue Gelegenheiten für dich. Ich wünsche dir viel Geduld auf deinem Weg und ebenso viel Erfolg bei diesem interessanten Projekt.
Alles liebe.
Yusuf
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Lieber Yusuf – auch dir wünsche ich für dein Vorhaben – dein Projekt „Yusuf“ – oder wie auch immer du es nennen möchtest – viel Erfolg und Kraft!
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Deine Worte werden sicher alle Leser berühren. Gehe die Wege, die vor Dir liegen. Ich wünsche Dir auf allen von ihnen viel Glück.
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Hallo Wanderer… das Ziel ist der Weg. Wege finden ist wie sich selbst finden. Bleib aber flexibel dabei. Denn anpassen gehört dazu… wie ein guter Schuh auf schlechtem Untergrund. Ich gehe einfach mal ein paar Teilstrecken mit, hab ja auch „Wandererfahrungen“ 🙂 Aber ne Flasche Wein… ja, gerne. Darf ruhig ein Feuerchen bei flackern… am See, oder so…
Gruß aus der Nachbargemeinde
Andi
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Setze Dich hin und wieder neben Dich. Betrachte ausgiebig, wer da sitzt…
Ein wichtiges Projekt, meine ich, und ich wünsche Dir viele Erkenntnisse und vor allem Menschen, die Dir dabei immer zur Seite stehen mit den richtigen Fragen, Worten, Taten und einer bloßen Anwesenheit! 😊 lg Olaf
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Hallo Olaf .. danke dir für deine Wünsche .. kann ich sicher brauchen … Gruß .. Robert
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Du hast mich tief berührt mit diesem Text 🙂
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Ich wünsche dir alles erdenkbar gute für deine Zukunft!
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Hallo Rini … danke … das kann ich brauchen … schöne grüße .. Robert
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