Von Vorarlberg aus ging es mit einem Truck und Didi nach Bremerhaven. Didi war sehr unterhaltsam und ich verstand mich prächtig mit ihm. Mit (etwas über) 80 km/h über die Autobahnen zu tuckern hat etwas entschleunigendes. Das war es was ich aktuell brauchte. Ab und an, wenn ich wehmütig wurde, dann redete Didi mir zu viel. Aber genau für diese Unbeschwertheit war ich dankbar. Er erzählte von seinen Erlebnissen als Trucker. Wenn da nur die Hälfte stimmt, hätte er ein Buch schreiben können.
Zwei Tage waren wir unterwegs. Zwei Tage in denen ich das ganze Spektrum, das zwischen heller Aufregung und totaler Euphorie und abgrundtiefer Angst und tiefempfundener Sehnsucht verbrachte. Ich mag mir gar nicht vorstellen, ich wäre alleine in einem Zug gesessen. Entweder hätte ich mich vor einen solchen geworfen oder ich wäre umgekehrt. So blieb ich standhaft und hatte für zwei Tage einen Kumpel an der Seite, der mich von meiner Pein ablenkte.
Bremerhaven


Didi und ich
In Bremerhaven trennten sich die Wege. Er hatte sein Ladegut zuzustellen – ich suchte mir eine Jugendherberge. Dann ein Schiff. Wollte anheuern. So als Hilfskraft. Nichts zu machen! Das würde von Europa aus schon lange nicht mehr gehen. Retour von Südamerika schon. Wegen der Versicherungen und so. Scheiß drauf. Was jetzt? Im Internet nach Alternativen suchen – schön wäre es gewesen. Das gab’s damals nirgends. Ich hatte nur davon gehört. Ich hätte den Internet Explorer gar nicht bedienen können.
In einem Reisebüro kaufte ich mir dann ein Ticket. Für ein Frachtschiff. Kostete mich ganze DM 2.600,-. Der Flug hätte mich über Tausend Märker weniger gekostet. Da kam ich schon ins Grübeln.
Für mich stand aber fest: Es musste ein Schiff sein. Unbedingt!
Dieses Schiff stach am nächsten Tag von Hamburg aus in See. Kannte die Gegend nicht wirklich. Daher mit dem Zug nach Hamburg. Den Termin hatte ich einzuhalten, denn die Märker waren schon draußen und so ein Schiff wartet sicher nicht.




Für mich als Binnenbewohner üben Schiffe einen starken Reiz aus. Darum galt meine Stippvisite neben der Suche nach einem Schiff der Hafengegend und dem Schifffahrtsmuseum.
Achtung – Nerd/Technik-Info:
Alle hier gezeigten Bilder sind Scans von Dias die bereits 20 Jahre alt sind. Nicht immer perfekt gelagert, aber in einem überraschend gutem Zustand. Leider kann ich das wohl von meinem Scanner nicht behaupten. Doch für das professionelle Scannen meines gesamten Bestandes an Dias würde mein Monatsgehalt nicht reichen. Daher muss es jetzt der Rollei DF-S 310 SE tun.
Es ist auffallend welche Qualitätssprünge die modernen Sensoren in Punkto Detailgenauigkeit und Dynamikumfang gemacht haben. Dennoch – die Dias wirken irgendwie lebendiger. Vielleicht, weil sie nicht so sehr auf Perfektion getrimmt sind?
Hamburg
Jugendherberge in Hamburg. OK – hier geht es einiges Internationaler zu. Ein US-Amerikaner, ein Kanadier, drei Schweden, ein Waliser und ein …..
Freitag, der 24.04.98 – 06:30
…. Mann knapp über 60, mit dem hatte ich mich eine Weile unterhalten. Er zeigte mir Fotos aus seinem Leben und erzählte mir das Eine oder Andere. Was mir hängen blieb war, dass er meinte, dass „wenn du eine Frau gefunden hast, so bleibe bei ihr. Auch wenn es aneckt, eine Beziehung ist viel wertvoller als Kleinigkeiten, Ausrutscher,… Wenn du meinst das wäre die Frau, die zu dir passen würde, so verzeih und toleriere, denn auch du selber rutschst mal aus.“ Dann sagte er nur „Danke“ und „Tschüß“. Ich war kurz verdattert, bis ich seine Tränen in den Augenwinkeln sah. …..
Auszug aus meinem Tagebuch
Das was er gesagt hatte ging mir noch lange nach, denn ich hatte gerade jemanden zurückgelassen, der mir wichtiger war als alles andere auf der Welt und dennoch bin ich gegangen. Musste ich gehen. Irgendetwas stimmt nicht mit mir …!
Das Frachtschiff hatte Verspätung. Darum „durfte“ ich noch eine Nacht in Hamburg dranhängen. Das verkürzte meine Qualen nicht unbedingt. Ich nutzte die Zeit für einen Tour durch Hamburg’s Meilen und lies die Sündigen nicht aus. War dort aber nur durch flaniert. Hatte andere Sorgen! SIE ging mir nicht aus dem Kopf. Was ich alles zurück lasse und aufgebe – ich Wahnsinniger! Und schon wieder wollte ich kehrtmachen und blieb dennoch standhaft.




Samstag, der 25.April 1998 / 18:50
Auszug aus meinem Tagebuch
Nun sind wir unterwegs. Um ca. 2:00 nachmittags hatten wir abgelegt, sind aber erst seit ca. einer dreiviertel Stunde frei von Land und auf dem Meer. Ein seltsames Gefühl so auf dem Schiff. Alles vibriert. Irgendwo knarrt oder scheppert es immer. Es ist ein polnischer Container-Frachter mit polnischem Komfort. Er ist auch nicht besonders groß. Ich hätte gedacht, dass die Frachter nach Übersee größer sind. Außer mir sind noch zwei Passagiere an Bord. Ein Deutsch-Schweizer und ein junger Pole, der (etwas) Englisch spricht. Der Schweizer heißt Daniel und will nach Cuzco. Von dort nach Macchu Picchu. Er meint, dass die Ruinen dort die Ruinen von Celestine sind. Danach will er um den Rest der Welt. Der Pole nennt sich Mathew. Er will nach Chile, um sich eine Frau zu suchen und diese dann mit nach Polen zu nehmen. In Polen besitzt er ein Pub zusammen mit einem Kompagnon. Nach einem kurzen Gespräch verschwindet er wieder in der Kabine, um zu „Rauchen“. Nachdem was so zu riechen ist nicht nur Tabak. …


Die Kabine ist bezogen und die MS Szczecin hat abgelegt und fährt Richtung Nordsee.
Das ist spannend und macht unbedingt Lust auf’s Weiterlesen.
Liebe Grüße!
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