1998 – Peru / Callao und Lima

Montag, der 18. Mai 1998 – 19:15

Habe heute einige Vorbereitungen für die Zeit nach meiner Ankunft und meines Abschieds vom Schiff getroffen. Ich habe mehrfach umgepackt und einiges aussortiert, aber auch neu [in Barranquilla / Badehose,…] Gekauftes einsortiert. Es sieht so aus, als ob ich jetzt Nichts mehr entbehren kann, aber wer weiß?

Wir fuhren heute mehrfach an Land vorbei. Einmals sah ich einen großen Schwarm Vögel ca. 1m über dem Wasser dahinfliegen und unseren Weg knapp vor dem Bug kreuzen. Es fing dann auch an zu regnen und es windete stark. Peru ist nicht mehr weit.

Heute Abend gibt es noch eine kleine Feier, denn am 18. April ist Daniel zu seinem Trip gestartet – zwei Tage vor mir. Bereits ein Monat unterwegs. Unglaublich!

Auszug aus meinem Tagebuch

Peru 1998

Donnerstag, der 21. Mai 1998 – 08:15

Das Schiff liegt im Hafen. Gestern Abend waren wir in einer Bucht vor Anker gegangen und es sah so aus, als liefen wir erst heute ein. Irgendwann in der Nacht müssen wir dann doch angelegt haben. Gestern Abend um acht war es schon sehr dunkel, nur das Schiff war beleuchtet und es zog tausende von Fischen, ein paar größere Fische, jede Menge Wasservögel und sogar einen Seelöwen (?) an. Die Letztgenannten fraßen sich natürlich an den Kleinfischen satt.

Der Kapitän warnte uns beim Frühstück, dass die Strecke vom Gate des Hafens bis zu den Taxis so ziemlich die gefährlichste Gegend sei und meinte, dass wir vorsichtig sein sollen. Daher entschlossen wir uns das Schiff und den Hafen erst am späteren Vormittag zu verlassen.

Auszug aus meinem Tagebuch

Wir verabschieden uns von Mathew (mit ihm vereinbarten wir ein Treffen für den nächsten Tag), dem Kapitän und der Crew und von der MS Szezcin. Bebend vor Erwartung, aber auch eingeschüchtert durch die Worte des Kapitäns eilen wir zu den Taxis. Keine 100 Meter. Da hat sich der Kapitän zum Abschied noch einen Scherz erlaubt! Egal – hoffentlich gibt es in der Jugendherberge noch zwei freie Betten. Bin Froh, dass Daniel mit mir zusammen von Bord gegangen ist. Gibt mir Sicherheit – zumindest ein wenig. Fühle mich nicht ganz so verloren ….

Freitag, der 22. Mai 1998 – 09:00

Ich habe mein Visa für Peru. 30 Tage. Daniel hat 90 Tage bekommen. Ich wollte mich wegen des Visas am Zoll erkundigen. Als dann einer von der Einwanderung kam, war das Einzige was ich zu hören bekam, dass die allgemeine Wirtschaftslage und seine besonders sehr schlecht wäre. Unverrichteter Dinge mussten wir in das Taxi steigen. Erst dort kapierten wir, dass das Gerede von der Wirtschaftslage die Aufforderung nach ein paar Dollars war! Zumindest sorgten wir für die bessere Wirtschaftslage des Taxifahrers, denn der knöpfte uns Greenhorns ganze 8 Dollar ab.

In der Umgebung der Jugendherberge hatte es eine Fußgängerzone. Dort zog ich mir 1.000 Nuevo Soles aus dem Automaten. Erst danach rechnete mir Daniel vor, dass ich soeben ca. 360,- US$ abgehoben hatte. Ich Idiot!

Auszug aus meinem Tagebuch

Ich muss besser aufpassen. Bin schließlich in Südamerika. Will noch ein paar Tage länger unterwegs sein. Lebend! In Peru in den 90ern nicht so einfach. Gründe meine Reise zu verkürzen gibt es reichlich. Bin schließlich ein Gringo-Greenhorn, dass von weitem schon sichtbar danach schreit ausgenommen zu werden. Gründe das Leben zu verkürzen gibt es auch. Hauptgrund: der Sendero Luminoso. Eine gefürchtete Guerilla mit maoistisch-leninistischem Hintergrund. Seit 2013 gilt diese als Zerschlagen. Frühjahr 1998 gab es immer noch Anschläge und Überfälle. Zunächst aus einer Studentenbewegung entstanden war die aktivste Terror-Zeit in den 80ern und Anfang der 90er. Bin also in einer Gegend, die alles andere als Sicher ist.

Muss noch zur Einwanderungsbehörde, um meine 90 Tage Aufenthalt zu erhalten. Somit beginnt meine zweite Lektion: „Korruption auf Südamerikanisch für Dummies“ – und es sollte nicht meine Letzte sein.

Freitag, der 22.Mai – 17:45

Ich nahm mir also ein Taxi nach Central Lima. Damit fing für mich eine recht kostspielige Odyssee an und endete damit, dass ich für ca. 100,- US§ ein Visa bekam für 2 Monate. Ein ganz klares Handicap waren natürlich meine (so gut wie) nicht vorhanden Spanischkenntnisse. 3 Stunden und so viel Geld für einen lächerlichen Monat mehr! Zum Schluss resignierte ich und war froh, dass ich überhaupt etwas erreichte. Auf meine Frage warum das jetzt alles, grinste der Offizier süffisant und meinte, dass man nicht Jedem gestatten könnte sich einfach so in Peru aufzuhalten. Ich war mir sicher, dass diese 100 Dollar nicht zur Gänze in der Kassa landen würden!

Nachdem ich mich beruhigt hatte entschloss ich mich zum Instituto Geographica National zu gehen. Dem einzigen Ort bei dem ich ordentliche Karten bekommen sollte. Ich traf unterwegs einen sehr hilfsbereiten Polizisten, der mir den Weg zeigte, ein Mädchen, bei dem ich frisch angezapftes Kokosnusswasser kaufte und nett mir mir plauderte, half einer Frau Ihren defekten Wagen auf die Seite zu schieben und kaufte einem älteren Mann mit einem Eiswagen und leckerem Eis eines ab. Mit allen unterhielt ich mich in einem Kauderwelsch aus Spanisch und Englisch. Dann traf ich im Instituto ein und fand einen Haufen recht junger und lustiger Herrschaften, die sich sehr bemühten mir zu helfen. Allerdings hatten Sie keine Karten mehr lagernd, aber sie würden mir Kopien machen und mir vorbeibringen. Nach einem Gruppenfoto verabschiedete ich mich und hoffte, dass wirklich jemand kommen würde. Draußen dann erkannte ich, dass es sich um ein Militärgelände handelte und im gesamten Areal absolutes Fotografierverbot herrschte. Ich sah zu, dass ich schleunigst verschwand.

Auszug aus meinem Tagebuch

Kaufe mir einen Reiseführer. LONELY PLANET für Peru und Bolivien. Fühle mich nun minimal besser vorbereitet.

Unterwegs treffe ich Daniel. Keine 50 Meter weiter laufen wir dann Mathew in die Hände. Unglaublich! In Lima gibt es 6,9 Millionen Einwohner und ich treffe auf Daniel, Mathew und seinen Freund Wasi. Ganz ohne Mobiltelefon, Breitband und WhatsApp. Sind erst für den Abend verabredet. Sollte eine gepflegte „Abschiedsfeier“ werden. Kurzentschlossen beginnt bei uns der Abend um halb drei.

Samstag, der 23.Mai 1998. Kurz vor Acht. Viel zu Früh! Einer der Jungs bringt mir die Karten. Wir schwatzen ein wenig. Ich zeige ihm meine Ausrüstung. Gebe ihm 300 Soles für die Karten. Bin froh, dass ich die Karten habe und endgültig Richtung Cuzco – zusammen mit Daniel – aufbrechen kann. Buskarten sind schon gekauft. Gepackt habe ich bis zehn. Der Bus geht um halb zwei. Vor mir liegen mindestens 48 Stunden Busfahren. Mitten durch das Kernland des Sendero Luminoso.

Um uns von der Zeit seit Hamburg und den Göttern und Geistern des Meeres zu verabschieden, machen wir noch einen kurzen Abstecher ans Meer. Meine Blicke schweifen über das Wasser und bleiben an der Hoizontlinie haften. Werde ganz sentimental. Irgendwie ist das Meer eine gefühlte Verbindung in die Heimat. Zu meiner Familie und Freunden. Zur Liebsten. Von nun an werden die Kontakte noch spärlicher werden.

Die nächste Etappe meines Abenteuers beginnt. Ich fühle mich aber alles andere als abenteuerlich. Mir ist zum Heulen. Im Beisein von Daniel lasse ich diesen Gefühlsausbruch natürlich nicht zu. Bin mir aber sicher, dass auch Daniel wässrige Augen hat. Ganz bestimmt!


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