…. es bleibt mehr als die Erinnerung!

Mein Vater wurde am 11.07.1941 in Schneidemühle/Pommern geboren. Das ist jetzt polnisches Gebiet und laut Sterbeurkunde heißt der Ort jetzt Pila.

Sein Vater war im Krieg in Gefangenschaft, da musste die Mutter mit ihren drei Kindern fliehen. Sie nahmen sehr viel auf sich und die Flucht dauerte nach Aussage meines Vaters mindestens ein Jahr bis sie in einem Dörfchen namens Rade in Schleswig Holstein einen Bauern fanden, der sie aufnahm.

Naja – aufnehmen ist gut gesagt. Die Familie hatte für Kost und Logis zum Teil schwer zu arbeiten. Doch wenn er von seiner Zeit in Schleswig Holstein erzählte dann haben seine Augen geglänzt und er hatte bis zuletzt noch Kontakt in den Norden. Zu einem Eberhard oder so … Leider kann ich ihn nicht benachrichtigen, weil ich aktuell nur den Namen „Eberhard (oder so)“ habe.

Irgendwann kam sein Vater aus der Gefangenschaft heim und die Familie zog nach Wuppertal. Wie und warum entzieht sich meiner Kenntnisse. Ich glaube, dass mein Vater aus Rade nicht gerne wegzog, hatte er doch all seine Freunde dort. Und seinen Schulzeugnissen nach zu urteilen unterhielt er sich auch während des Unterrichts rege mit ihnen.

Von der Zeit in Wuppertal hatte er auch etwas weniger erzählt. Ich weiß nur, dass er dort in die Lehre zum Dreher ging, weil sein Vater ihn dazu gezwungen hatte. Sein Vater wiederum war Musiker und gerade in Zeiten des Krieges ist damit nur sehr schwer Geld zu verdienen. Daher wohl der Druck „etwas Gescheites zu lernen“.

Er scheint sowieso eine etwas zwiespältige Beziehung zu seinem Vater gehabt zu haben. Und so ergab es sich, dass er – kaum die Lehre fertig – mit zwei Freunden und dem gerade gemachten Führerschein auf sein Motorrad saß und er war weg ….

Wie und wann er dann nach Österreich kam weiß ich nicht so genau. Ich weiß nur, dass er bei der Firma Doppelmayr arbeitete und neben dem Haus logierte in dem meine Mutter wohnte. Beide hatten sie den selben Arbeitsweg. Und es gibt den einen Brief, der belegt, dass mein Vater meine Mutter bereits 1965 liebte.

Kurz vor diesem Brief war mein Vater allerdings in Innsbruck in Schubhaft, da er sich nicht so ganz legal in Österreich aufhielt. Aber auch das konnte ihn nicht davon abbringen meine Mutter zu umgarnen und wieder nach Österreich zu kommen.

Beide heirateten dann im Juli 1968 und hatten eine winzige Wohnung im Dornbirner Haselstauden. Er hatte ja nicht viel – so als Migrant. Sie hätte mehr gehabt, doch war die Familie mit der Hochzeit eines „Dahergereisten“ und „Piefke“ nicht einverstanden.

Ab Januar 1969 vergrößerte ich, Robert, die ganze Geschichte zur Familie. 1970 dann noch mein Schwesterherz. Ein Jahr später kam noch die Jüngste, die aber leider kurz nach der Geburt verstarb.

Mit zwei nimmersatten, quängelnden in die Windel machenden Schreihälsen kamen nun schwere Zeiten auf die kleine Familie zu. Mein Vater begann irgendwann zusätzlich zu seinem Job in einer Fabrik am Samstag noch in einem nahen Supermarkt im Lager zu arbeiten. Da die Metallbearbeitung nie seine Wahl war und der Supermarkt mit einer lukrativen Stelle winkte wechselte er. Hier weiß ich dann nur noch soviel, dass jeder Jobwechsel mit Umziehen verbunden war, denn die ersten Wohnungen waren Betriebswohnungen. Und wenn du nicht mehr dort arbeitest, dann wohnst auch schon bald nicht mehr dort.

Schön langsam ging es dieser kleinen Familie immer besser und in den 80ern kauften mein Vater und meine Mutter eine Wohnung. Diese war für uns eine schwere Last, doch mit viel Fleiß und gutem Wirtschaften ging es dann schon irgendwie …

In den 90ern machte mein Vater sogar noch den PKW-Führerschein und kaufte sich seinen ersten Wagen. Mein Vater mit meiner Mutter zusammen hatten ihr persönliches kleines Wirtschaftswunder geschafft.

Und in all dieser Zeit blieben mein Vater und meine Mutter was sie waren. Aufrichtige Menschen. Nie nach Streit oder Unfrieden trachtend. Ab und an „zu gut für diese Welt“, jedoch nie blauäugig. Bei Allem möglichst an der Wahrheit bleibend. Niemandem was schlechtes tun, noch wünschen. Liebenswürdigkeit ausstrahlend, immer nach dem Anderen Sehend. Sich dabei manchmal selber vergessend, jedoch nie sich selbst aufgebend. Natürlich gab es auch schwere Zeiten. Beide hatten Sie einen Rucksack zu tragen. Sie jammerten jedoch nie, noch suchten sie die Schuld bei Anderen. Sie waren zufrieden und so glücklich wie es eben möglich war.


Jetzt bleiben meine Schwester und ich. Meine Mutter und mein Vater leben in uns weiter und wir tragen alle diese Eigenschaften mit uns und in uns. Wir hatten das Glück bei fürsorglichen, verantwortungsvollen und herzlichen Eltern aufwachsen zu dürfen.

Und dafür empfinde ich eine tiefe Dankbarkeit.

Ich bin jetzt der Mensch, der ich bin, weil meine Eltern so waren wie sie waren.


… zum Schluss bleibt mehr als die Erinnerung

Es bleiben meine Schwester und ich und all die Menschen, die von meinem Vater oder meiner Mutter im Herzen berührt wurden …

6 Antworten zu „…. es bleibt mehr als die Erinnerung!”.

  1. Eine sehr bewegende persönliche Geschichte ! Herzlicher Gruss von Jürgen

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  2. Danke für diesen Einblick. Und dir mein herzliches Beileid. Das ist ja noch so frisch und tut ganz bestimmt immer noch so weh. Es ist immer schwer zu begreifen, wenn jemand gehen muss.

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    1. vielen Dank .. ja .. die letzte Zeit war nicht so einfach …

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      1. Wünsche dir weiterhin viel Kraft, die braucht man einfach.

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  3. Es ist schwer, wenn die Eltern oder Geschwister versterben. Mein aufrichtiges Mitgefühl.
    Meine Eltern und mein Bruder leben auch nicht mehr und jetzt möchte man all das noch erfragen, was zu ihrer Lebzeit gar kein Thema war. Jetzt bekommt man die Geschichte nicht mehr gefüllt. Auch das reist eine Lücke.

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